Skip to main content

(aus dem Buch “Deine Energie in Aktion!”) 

Verletzlichkeit und Berührbarkeit

Ein Amerikaner, der für das US-Militär in Afghanistan arbeitete, kam für einen Urlaub in unser Retreat-Zentrum. Wir stellten ihn uns als einen eher rau aussehenden Militärtyp vor, aber er war ein Mann Ende vierzig, der sehr normal aussah, wie der typische „Mann von nebenan“.

Er erzählte uns von seiner Arbeit dort in Afghanistan und was das für ihn persönlich bedeutete. Er war freundlich, aber darunter konnten wir seine Anspannung und eine Schutzmauer spüren. Er bestätigte das, als er sagte: »Ich bin immer in Alarmbereitschaft. Ich kann mich dort nie entspannen. Ich habe immer das Gefühl, dass ich in Feindesland bin. Obwohl ich in einem von Mauern umgebenen Militärgelände bin, das angeblich geschützt und sicher ist, kann ich nie friedlich schlafen. Ich schlafe in meinen Kleidern, weil jederzeit ein Angriff kommen könnte.

Da er hier in einer sicheren und freundlichen Umgebung war und eine liebevolle Zeit mit seiner Frau verbrachte, war er fähig, sich zu entspannen. Nach einigen Tagen begann sich sein Gesicht zu verändern. Eine Verwandlung fand statt. Gegen Ende seines Aufenthaltes erstaunte er uns, als er sagte, er sehne sich danach, zurückzugehen. »Wenn ich hier noch länger bleibe, werde ich nicht mehr damit klarkommen, dort zu sein. Ich möchte mich lieber nur ein bisschen entspannen, damit ich mich ohne Schwierigkeiten wieder abhärten kann.« Seine Frau fügte halb im Spaß und halb im Ernst hinzu, dass er einen sicheren und liebevollen Ort nur für kurze Zeit ertrage, bevor dieser ihm zu gefährlich werde!

Wir erkannten, dass beide recht hatten. Er musste sich schützen, indem er einen Schutzschild aufbaute, um dort drüben sein zu können. Hier zu sein tat ihm so gut, dass er die Mauern abbauen konnte, aber er hatte das Gefühl, dass wenn er zu sehr entspannte, er bei seiner Rückkehr dorthin zu verletzlich sein würde.

Die Bemerkung seiner Frau war scharfsinnig: Seinen Schutzwall runterzulassen und berührbar zu werden war für ihn sowohl schön als auch überwältigend. Er konnte das nur in kleinen Dosen ertragen, bevor die Berührbarkeit zu viel wurde und seine Schutzmechanismen sich wieder behaupten wollten. Ihr Kommentar zeigte, dass es sein Muster war, selbst wenn er sich nicht im Kriegsgebiet befand, seinen Schutz nur für kurze Zeit aufzugeben, um dann eine Entschuldigung dafür zu finden, ihn erneut aufzubauen.

Dieser Mann zeigte uns eine grundlegende Wahrheit der menschlichen Natur: dass wir alle verletzlich und berührbar sind. Ganz gleich wie hart, stark oder »über allem stehend« wir an der Oberfläche zu sein scheinen, darunter ist jeder verletzlich. Wir werden von allem um uns herum berührt.

Verletzlichkeit ist unsere grundlegende Zartheit, jene Eigenschaft, die uns berührbar und von einer Vielzahl von Dingen beeinflussbar macht.

Jeder Mensch ist verletzlich.

Definition: Verletzlichkeit
Verletzlichkeit ist unsere grundlegende Zartheit, jene Eigenschaft, die uns berührbar und von einer Vielzahl von Dingen beeinflussbar macht.

Dies ist eine der wichtigsten Einsichten, die durch das Verständnis der Energie entstehen: dass jeder Mensch verletzlich ist. Der Begriff »verletzlich«, wie wir ihn hier verwenden, bedeutet »berührbar« – wir können berührt werden. Dinge bewegen uns. Das erkennt eine allgemeine Wahrheit über das menschliche Energiesystem an, nämlich dass unser Energiekörper fragil ist und von einer Vielzahl von Dingen beeinflusst wird.

Dieser Mann zeigte uns auch einige der Arten und Weisen, wie wir unsere Verletzlichkeit schützen und dass einige davon gesund sind und andere nicht. Seine Handlungen spiegeln eines der größten Dilemmas wieder, das die innerste Verletzlichkeit für jeden Menschen darstellt.

  • Wie sehr können wir offen sein?
  • Können wir unseren Berührbarkeit offenbaren?
  • Mit wem und wann?
  • Wie schützen wir unsere Verletzlichkeit?
  • Wie können wir unseren Schutzwall herunterlassen, nachdem er „hochging“?
  • Können wir überbeschützt sein?

Die Antworten auf diese Fragen sind je nach Person und Situation sehr unterschiedlich, aber im Grunde haben die meisten von uns, abgesehen von ein paar bemerkenswerten Ausnahmen, Schutzmauern in unserem Energiesystem aufgebaut, um zu überleben. Einige dieser Mauern bauen wir ab, wenn wir uns sicher fühlen, vielleicht mit unserem Ehepartner oder den Kindern, einem guten Freund oder auch, wenn wir allein in der Natur sind. Aber viele dieser Mauern sind zu fast dauerhaften Schutzschichten in unserem Energiekörper geworden. Nur bei seltenen Gelegenheiten werden diese Mauern hinuntergelassen, und dann gehen sie schnell wieder hoch.

Mauern sind Schutzschichten der Energie im menschlichen Energiefeld.

Bewusste Verletzlichkeit und bewusste Abgrenzung

Zwei der wichtigsten Fertigkeiten, die du mittels der Energiearbeit lernen kannst, sind die bewusste Verletzlichkeit und die bewusste Abgrenzung. Die bewusste Verletzlichkeit ist die Fähigkeit, unsere Mauern abzubauen und zuzulassen, dass wir berührt werden. Eine bewusste Abgrenzung ist die Fähigkeit, eine Schutzmauer aufzubauen und die Dinge nicht hineinzulassen, die nicht hinein sollten.

Bewusste Verletzlichkeit ist die Fähigkeit, unsere Mauern runterzulassen und uns berühren zu lassen.

Bewusste Abgrenzung ist die Fähigkeit, eine schützende Mauer aufzubauen und die Dinge nicht hineinzulassen, die nicht hinein sollen.

Das ist aus verschiedenen Gründen wichtig:

1. Es gibt Dinge, von denen wir berührt werden möchten. Sie sind wie energetische Nahrung für unser Sein, sie nähren und bereichern uns. Das sind beispielsweise Liebe, Zuwendung, Respekt sowie Energien aus der Natur, von Tieren und dergleichen mehr.

2. Es gibt Energien, die wir nicht hineinlassen möchten, weil sie nicht gesund für uns sind, Dinge wie Aggression, Negativität, Verurteilung und verstörte Gefühle. Wir müssen in der Lage sein, im richtigen Moment »einen energetischen Regenmantel anzuziehen«.

3. Wir können Intimität nicht erleben, wenn wir uns hinter einer Mauer verschanzen. Zwei Ritter in Rüstung können sich nicht besonders nahe kommen. Intimität entsteht, wenn wir die Rüstung abnehmen, uns öffnen und jemanden einlassen.

4. Schließlich bedeutet verletzlich sein, vom Leben berührt zu werden. Ein Leben hinter Mauern ist ein sehr einseitiges Leben. Ein Leben, das offen gelebt wird, bedeutet, dass du teilnimmst an der Fülle von dem, was ist.